Der Blog zum wohngesunden Bauen

20. Dezember 2011

Immobilienboom als Hemmschuh für Qualität am Bau

Filed under: Allgemein, Bestand & SanReMo, Neubau, Wissen & Literatur — Schlagwörter: , — Matthias Lange @ 09:23

In der Zeit der Jahresrückblicke sei es auch erlaubt, einen kritischen Blick auf die deutschen Immobilienmärkte  zu werfen. Als  2010 die Bauzinsen auf einen historischen Tiefstand fielen und Bau-Kredite  einmalig günstig wurden, wollten viele Bauherren und Immobilienkäufer ihren Traum vom Wohneigentum möglichst schnell wahr machen. Hier finden Sie die aktuelle Entwicklung der Hypothekenzinsen.

Parallel dazu werden Inflationsängste geschürt und veranlassen ebenfalls viele Anleger dazu, in Sachwerte zu flüchten. Nicht nur Selbstnutzer wollen das günstige Zinsniveau von Hypothekendarlehen nutzen, sondern auch Kapitalanleger, weil sich durch attraktive Finanzierungskonditionen Anlageimmobilien schnell entschulden lassen. Angesichts der demografischen Entwicklung in der Bundesrepublik und der Tatsache, dass die gesetzliche Rente bald lediglich einer Grundversorgung dienen wird, flüchten immer mehr Menschen in die eigene Immobilie, die vermietet werden kann, um finanzielle Engpässe im Ruhestand zu vermeiden.

Speziell in den Städten steigen die Preise und werden seitdem die Angebote knapp. In Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt oder Freiburg treibt der niedrige Zinssatz die sog. Gentrifizierung an. Dabei geht es um die soziokulturellen und immobilienwirtschaftlichen Veränderungen in ursprünglich preisgünstigen Stadtvierteln, in denen Immobilien zunehmend von wohlhabenderen Eigentümern und Mietern belegt und baulich aufgewertet werden und in denen in diesem Zuge Gruppen mit einem niedrigeren Sozialstatus ersetzt oder verdrängt werden. Beispiel Frankfurt-Westend: verbunden mit der Bauwelle, die das Westend zu einem Refugium der „happy few“ deklariert, wo für Neubau-Eigentumswohnungen bis zu achttausend Euro pro Quadratmeter gezahlt werden, ist ein rasanter Anstieg der Mieten: im ersten Halbjahr 2011 um 4,2 Prozent, und das im gesamten Viertel. Wer als Hausbesitzer nicht abreißt, führt Luxussanierungen durch, an deren Ende den Altmietern bei Quadratmeterpreisen von bis zu 35 Euro oft nur ein Wohnungswechsel bleibt.

Zusätzlich leidet die Bauqualität: der Bedarf ist so groß, dass noch schneller gebaut wird, als ohnehin. Die Bauträger haben in der einen Hand noch das Abnahmeprotokoll und mit der anderen Hand wird dem Nutzer schon der Schlüssel überreicht. Dass dabei nicht auf sorgfältige Bauausführung geachtet wird, leuchtet ein. Neben der Qualität geht natürlich auch die Wohngesundheit mit über Bord. In vielen Neubauten gilt es für die Nutzer erst mal 2-5 Jahre trocken zu heizen, für den Bestand sagte ein Freiburger Immobilienmakler zu mir: Wohngesundheit interessiert mich nicht. Wir haben einen Käufermarkt, der alles nimmt, ob schimmlig oder asbestverseucht.

Etwas anders sieht es außerhalb der Ballungszentren aus. In manchen Gegenden Deutschlands, z.B. in der Eifel, in Mecklenburg-Vorpommern, im Hunsrück sterben Dörfer aus, sind Immobilien überhaupt nicht mehr zu verkaufen.

Insgesamt bleiben neben den sozial Benachteiligten, die sich keine Immobilien leisten können und unter Mietsteigerungen leiden, auch die Nachhaltigkeit, die Wohngesundheit und die intelligente Architektur auf der Strecke. Wenn sich alles, das schlecht geplant und gebaut ist, auch absetzen lässt, fehlt bei vielen Bauakteuren die Notwendigkeit, dem eigenen Arbeitsethos zu folgen und die Arbeit so zu erledigen, dass man darauf stolz sein kann.

Darum gilt hier auch einmal ausdrücklich unsere Wertschätzung und Dank unseren Partnern aus der Industrie, im Handel, bei den Planern und im Bauhandwerk für den Mut und das Engagement, auf die Qualität und die Wohngesundheit zu setzen und nicht nur auf den schnellen Euro zu schielen.

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